Veränderung der ambulanten Leistungsinanspruchnahme von Privatversicherten während der COVID-19-Pandemie

WIP-Kurzanalyse Juli 2024

Julia Schaarschmidt

In der Studie beleuchten wir die ambulant-ärztliche Versorgung in den ersten beiden Pandemiejahren (2020, 2021). Vielfältige Maßnahmen der Kontaktbeschränkung sowie die Angst vor Ansteckung lassen eine reduzierte Inanspruchnahme von ärztlichen Leistungen erwarten. Unsere Untersuchung betrachtet auf Basis einer Auswertung von GOÄ-Abrechnungsdaten den Verlauf der Inanspruchnahme über die verschiedenen COVID-19-Pandemiewellen und für verschiedene Leistungsarten.

Die wichtigsten Ergebnisse sind:

  • Die Gesamtanzahl der abgerechneten GOÄ-Leistungen ging 2020 im Vergleich zu 2019 um 3,1 % zurück, um 2021 wieder um 2,8 % zu steigen. Es wurde damit 2021 noch nicht das Vor-Pandemieniveau (2019) erreicht.
  • Die einzelnen Abschnitte der GOÄ waren unterschiedlich betroffen: Besonders starke Rückgänge waren im Jahr 2020 in der Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde mit 9,2 % sowie in der Augenheilkunde und bei physikalisch-medizinischen Leistungen mit jeweils 4 % zu verzeichnen. Dagegen zeigen sich in der Urologie (+0,6 %), der Chirurgie/Orthopädie (+0,6 %) sowie beim Labor (+0,1 %) sogar schon im ersten Pandemiejahr leichte Zuwächse.
  • Ein Sonderfall sind die nichtgebietsbezogenen Sonderleistungen. Sie stiegen um 25,6 %, was vor allem durch die Hygienepauschale (Ziffer 245) beeinflusst wurde.
  • Bei Kindern unter 5 Jahren ging die Leistungsinanspruchnahme 2020 überproportional um 9 % und 2021 um 3 % im Vergleich zu 2019 zurück.
  • Bei Leistungen, die als verschiebbar gelten, sind in Abhängigkeit vom Pandemieverlauf besonders deutliche „Vermeidungseffekte“ erkennbar. So zeigt sich bei Früherkennungsuntersuchungen (GOÄ-Ziffer 29) im April 2020 ein Rückgang um 52 %. Im Juni 2020 sehen wir einen Nachholeffekt (+25,2 % im Vergleich zum Vorjahr).
  • Bei nicht verschiebbaren Leistungen (exemplarisch Betreuung bei Zentrums-/Praxisdialyse (GOÄ-Ziffer 792)) zeigen sich nur moderate Schwankungen der Inanspruchnahme im Jahresverlauf.

Grundlage der Untersuchung sind die GOÄ-Abrechnungsdaten von 2,59 Millionen Privatversicherten, die uns von elf PKV-Unternehmen zur Verfügung gestellt wurden.

Unser Fazit:

In einer früheren WIP-Studie konnten wir aufzeigen, dass der ambulante Sektor in Deutschland einen wesentlichen Beitrag zur Bewältigung der COVID19-Pandemie leistet. Eine wichtige Rolle spielten neben der Verfügbarkeit von Schnelltests und Impfstoffen auch der – im internationalen Vergleich – leistungsfähige (fach-) ärztliche ambulante Sektor. Europaweit konnte ein enger Zusammenhang zwischen dem Anteil an ambulanter Versorgung und weniger Covid-19-Todesfällen festgestellt werden. Trotz erheblicher Maßnahmen zur Kontaktbeschränkung ging die Inanspruchnahme privatärztlicher Leistungen nur moderat zurück. Im Jahr 2021 stiegen die Zahlen bereits wieder, ab Herbst 2021 war eine Normalisierung des Verlaufs ersichtlich